Diese Frage stelle ich mir gerade.

Irgendwie hatte sich das im wilden Trubel der ganzen Anti-Zensurgeschichte halt ergeben, dass ich mich da angemeldet hatte. Die ePetition war beeindruckend und die Blogosphäre feierte sich beim Kampf für das Gute gegen die ignoranten Internetausdrucker, die das abartige (Internet-)Zensurgesetz im Schnellverfahren durch gewunken hatten.

Und da profilierte sich die Piratenpartei als Partei der Netzkultur. Basisdemokratisch, gut koordiniert durchs Netz der Netze. Und irgendwie, ich weiß gar nicht mehr so genau wie, klang das in meinen Augen toll. Eine Partei, die ihre Positionen größtenteils noch finden muss, die sich selbst noch entdecken muss und in die man sich ohne den Balast eingekrusteter Strukturen einbringen kann um unser alle Sache zu pushen. Und so meldete ich mich voller Tatendrang an, voller Begeisterung, wilde Träume von politischer Mitbestimmung im Geiste.

Doch wenig später kam die Ernüchterung. Das begann, als ich mich ein wenig durch die Blogbeiträge zum Causa Thiese las. Bei manchen Kindergeschrei sollte man auch vielleicht eher Schlammschlacht sagen, wie da „unwählbar“ gekreischt wurde, um direkt danach die Systempartei der Grünen anzuführen. Eine Partei, die sich mehrmals selbst verraten und im Selbstreinigungsprozess so lange angepasst hat, bis ihr politisches Profil nur noch ein fahles Abbild ihrer Ideale, sie aber selbst dadurch für einen annehmbaren Wählerkreis wählbar wurde. Sicherlich, in Sachen Verrätertum hat ihnen die SPD gut 80 Jahre Praxis voraus, aber das ändert nichts daran, dass sie inzwischen genau so eine Systempartei für machtaffine Menschen ist, die mit Sympthombehandlung & Personenkult Politik betreiben, wie die anderen Parteien auch.

Aber zurück zu meiner Ernüchterung. Die kam mir zuerst als ich in einem vernünftigen Blogbeitrag im übertragenen Sinne die Position las: „Ich finde die Piraten gut, aber bei Ihnen beteiligen kann ich mich nicht. Einfach dadurch, dass sie eine Partei sind.“ Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich schreibe Texte wie „Willkommen in der Postdemokratie1, lese Bücher wie das „Manifest des evolutionären Humanismus“2 und denke ernsthaft darüber nach bei einer Partei mit zu machen? Sind die Parteien nicht mit ein Teil des großen Problems, welches ich jeden Tag wahr nehme? Kann ich mich überhaupt noch mit einer Parteilinie vereinbaren?

Ich hatte aufgehört, mich in Parteistrukturen zu bewegen, als mir klar wurde, dass ich in Ihnen nichts bewirken kann, da meine Positionen zu extrem sind. Ohne den Intellekt und die geistige Entwcklung meiner Mitmenschen in Parteien beleidigen zu wollen, ich denke einfach zu weit voraus. Anders formuliert: Jenes, welches mich an unserer Gesellschaft und unserem Zusammenleben stört, liegt zu tief in unserer Kultur verwurzelt, als dass es Teil eines Parteiprogrammes werden könnte. Oder noch einmal anders ausgedrückt: Ich möchte das Spiel nicht anders mit spielen, ich will die Spielregeln ändern.

Aber ich hatte mich ja angemeldet und dann konnte ich mich, trotz aller Bedenken, auch einbringen! Gesagt, getan. Gestern war der erste Paderborner Piratenstammtisch, ordentlich Leute, viele Geeks, die wild zusammen redeten, viele Bekannte und wenig Organisation. Aber das läuft an und wir werden uns schon einpendeln. Und da ich entweder ganz oder gar nicht mit mache, habe ich heute hunderte von Kilometer Reise auf mich genommen, um mich bei dem Treffen des inoffiziellen AK Steuern & Finanzen einzubringen. Und was ich dort traf, bestätigte mir meine größten Befürchtungen. Handfeste Realo-Aussagen trafen auf überzeugte Fundi-Positionen kombiniert damit, dass wir noch gar nicht wissen, was wir (tun) wollen. Na gut, einer wußte das dann schon: Dem AK Bildung zu arbeiten, damit die ihre Forderungen auch gut begründen können und diese vernünftig erscheinen.

Und irgendwie machte mich das sehr nachdenklich und führte dazu, dass ich jetzt diesen Text schreibe, anstatt zu arbeiten oder im wundervollen Manifest weiter zu lesen. Ich habe mich vor einigen Jahren für meinen neuen Weg entschieden. Ich begann, der Weltflucht im Konsum zu entsagen und arbeite darauf zu, eine gesellschaftliche Position zu erreichen von der aus ich hoffe, meine Idee des menschlichen Miteinanders für die Nachwelt zu erhalten. Auf dass diejenigen, die die Kultur prägen sie vielleicht eines Tages in eine sinnvolle Richtung prägen könnten3.

Ich wählte diesen Weg, weil mir vollkommen klar war und immer noch ist, dass man in diesem unserem Lande mit Politik nichts gestalten kann. Zu mindest nicht in dem Sinne, das man wirklich etwas in meinen Augen entscheidendes ändern könnte. Ich habe noch zu gut den Ausspruch von Matthias Berninger im Ohr, als ich noch jung, unerfahren und voller Inbrunst bei der grünen Jugend und er gerade frisch MdB war: „Politik ist der Freiraum den die Wirtschaft lässt.“ sagte er mir damals. Ich habe trotz den wilden Jahren meiner Weltflucht jenen Satz nie vergessen und begriff seine ganze Bedeutung erst nach einiger Zeit, lange nachdem ich mich von den politischen Jugendorganisationen zurück gezogen hatte. Und er erklärt auch ganz gut, warum Herr Berninger nach drei Legislaturperioden in eben jene ging.

Nun ja, jetzt sitze ich hier und habe meine Gedanken auf’s digitale Papier gebracht. Einfach weil sie mal raus mussten. Und ich denke, ich werde sie auch in einem Blog veröffentlichen, irgendwie erscheint mir so ein Text dann gleich viel sinnvoller4.

Was ich genau bei den Piraten will, das weiß ich immer noch nicht so genau. Ich würde gerne eine politische Heimat dort finden, aber ob sie mir als solche dienen können, das muss sich noch zeigen. Mit engstirnigen „da habe ich keine Kompetenz, dazu kann ich nichts sagen“ und kleinbürgerlichen „wir müssen aber schon was sinnvolles innerhalb der Gegebenheiten bringen“ werde ich mich nicht anfreunden können. Ersteres klingt mir zu sehr nach der Aussage eines vorsichtigen Naturwissenschaftlers, der ja nichts verkehrtes sagen will und letzteres bringt vielleicht eine Zustimmung auf einer breiteren Basis, ändert aber wieder mal höchstens Sympthomerscheinungen und lässt sich einen Rahmen diktieren.

Nach „Klarmachen zum ändern!“ klingt das alles für mich nicht. Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir auch etwas fordern! Und zwar nichts, was die Vertreter der gleichgeschalteten Presse oder unsere politischen Konkurrenten als „vernünftig“ wahr nehmen, sondern wirklich Positionen, die etwas verändern. Wir brauchen Positionen die Utopien fordern, an die wir glauben können und an denen wir fest halten wollen. Auf dass die Menschen auch an uns glauben und wir durch diesen Druck, den wir so aufbauen können, nach einem langen und harten Kampf, kleine Schritte in die richtige Richtung bewirken können. In die Richtung von Freiheit, Gleichheit & Brüderlichkeit – diesen Traum, den ein Großteil der Bevölkerung unserer Republik schon lange verloren hat.

  1. Ist noch in Mache, gibt’s irgendwann dieses Wochenende
  2. Lesebefehl!
  3. Ich hoffe zu mindest, dass meine Vision irgendwann Wirklichkeit werden könnte
  4. done