Nun, die kurze Antwort ist: weil ich die Welt verbessern will und mir dieses gerade als der aussichtsreichste Weg erscheint.
Aber diese Antwort ist wohl nicht der Grund, weshalb ihr euch entschlossen habt, diesen Text zu lesen. Einige da draußen wollten die Argumentation lesen, wie ich solch eine freiheitliche Einstellung mit einer Parteimitgliedschaft vereinbaren kann. Die will ich jetzt hier liefern.
Damit das ganze auch fruchtet, gehe ich das in drei Teilen an:
- Zuerst formuliere ich ein paar von mir abstrahierte Fragen, die bei mir in den Diskussionen aufgefallen sind und/oder mir wichtig sind.
- Dann liefere ich eine kurze Definition, was ich unter Anarchismus verstehe und gehe kurz auf mein Verhältnis zu diesem im Laufe der Jahre ein.
- Um schlussendlich dann im letzten Teil auf die Fragen einzugehen und meine Entscheidung zu begründen.
Teil eins: Die Fragen
Meistens bekommt mensch als erstes zu hören, dass als Anarchist*in in ner Partei sein gar nicht geht. Wenn mensch dann mal ein bissl nachbohrt kommt dann erfahrungsgemäß die berechtigte Kritik, dass Parteien strukturbedingt selbsterhaltend seien ebenso wie „das System“ an sich. Also lautet meine Frage
a) Wie kann ich es vereinbaren, Teil eines nicht-anarchistischen selbsterhaltenden Systems, welches auf dem Gewaltmonopol basiert und anarchistisches Handeln regelmäßig sanktioniert, zu sein?
Ab und zu begegne ich Postitionen, dass sich emanzipatorische Bewegungen innerhalb des Regierungsapparates auf ihrem Marsch durch die Institutionen gerne auflösen wie die grauen Herren in der Niemalsgasse. Die Frage lautet folglich
b) Wie verhindern, dass die Partei/Bewegung nicht endet wie die 68er und ich mich in diesem Prozess auch zu einem Hindernis auf dem Weg zur libertären Gesellschaft entwickle?
Natürlich gibt es da noch jene, die meinen, dass ja nur eine Revolution den gewünschten gesellschaftlichen Umschwung herbei führen kann. Die bekommen dann zu jener Frage ihr Fett weg
c) Weshalb sollte ein langsamer Prozess erfolgreicher sein als eine schnelle Überwindung des bestehenden Systems?
Zum Schluß noch die Frage, die ich leider so gut wie nie höre , mir aber als extrem wichtig erscheint:
d) Wie sehe ich das, als Anarchist die Macht eines Mandats oder Amtes zugesprochen zu bekommen? Wieso sollte ich durch diese nicht korrumpieren?
Teil zwei: Mein Anarchismus
Ich schreibe hier absichtlich „Mein Anarchismus“ weil es den Anarchismus an sich nicht gibt sondern viele verschiedene Vorstellungen davon.
Anarchismus ist für mich eine Gesellschaftsform in der es gesellschaftlicher Konsens ist, dass mensch anderen möglichst viel Freiraum gewährt. Anders formuliert: einzelne Mitglieder übernehmen von sich heraus Verantwortung für die Befindlichkeiten und Daten anderer, somit also starke Kontrolle über ihr eigenes Verhalten. Es sollte leicht zu verstehen sein, dass dieses von den Idealen und Normen unserer aktuellen Gesellschaft weit entfernt ist.
Als ich den libertären Bewegungen begegnete und die Utopie annahm, machte ich mir auch die Idee der von mir gelesenen Anarchist*innen zu eigen. Wobei mir immer der Problematik bewußt war, dass ein gewaltsamer Umschwung dem Menschenbild, welches meiner Utopie zugrunde liegt, zutiefst widerspricht. Dieses war unter anderem der Beweggrund die These aufzustellen, dass ein nachhaltiger Umschwung nur durch ein Wandel unserer „Kultur“ bewirkt werden kann. Mit Kultur meinte ich dabei das Gemenge der gesellschaftlichen Normen, Werte & Geschichten, die sich innerhalb des Zusammenlebens und nicht in Regierungsapparaten, entwickeln. Ihr findet hier in diesem Blog auch alte verkopfte Blogposts von mir, denen ich heutzutage teilweise widerspreche.
Erst als ich mich intensiver mit Philosophie und Soziologie beschäftigte, wurde mir das Wechselspiel zwischen gesellschaftlichen Trends und Gesetzgebung bewußt1. Inzwischen bin ich der Ansicht, dass sich ein nachhaltiger Wandel in beiden Aspekten gesellschaftlicher Prägung manifestieren muss.
Teil drei: Betrachtung der Fragen vor dem Hintergrund meines Anarchismus.
Fangen wir mit Frage a an. Die Frage erhält ihre Brisanz dadurch, dass mensch durch diesen Schritt die eigenen anarchistischen Ideale gefährdet bzw ihnen zuwider handelt. Hierzu möchte ich zweierlei Antworten geben. Die erste lautet, dass ich als Kind unserer aktuellen Gesellschaft gar nicht in der Lage bin, anarchistische Ideale verinnerlicht zu haben. Ich kann zwar nach ihnen streben aber es ist mir schlicht nicht möglich, nach ihnen zu leben ohne mich dem sozialen Zusammenleben mit weiten Teilen unserer Gesellschaft zu entziehen. Der Staat basiert auf dem Gewaltmonopol, dies wird sich aber erst ändern, wenn der Großteil der Bürger*innen gelernt hat, ohne dieses im humanistischen Sinne menschenwürdig zu interagieren. Folglich bin ich gezwungen, nicht ganz entsprechend meiner Ideale zu handeln.
Weiterhin haben Anarchist*innen seit Anbeginn der Bewegung eine Abwägung von ihrem Handeln gegenüber ihren Idealen vorgenommen und werden wahrscheinlich noch eine lange Zeit gezwungen sein, dieses zu tun. Dies liegt darin begründet, dass uns schlicht die Strategien fehlen um wirksam und entsprechend unserer Ideale handeln zu können. So entschieden sich z.B. Anarchist*innen im spanischen Bürgerkrieg zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu den Waffen zu greifen. Ich finde diese Entscheidung, willentlich andere Menschen zu töten um die eigenen Belange zu fördern, weitaus schwerwiegender und kontraproduktiver als meine, mich in einer Partei zu engagieren.
Womit wir auch fast schon Frage c beantwortet haben. Es fehlt allerdings noch die Ergänzung, dass ein schneller, also gewaltsamer, Umschwung, meines Erachtens nach, einige wenige in Machtpositionen hievt. Es ist fraglich ob jene nach der ersten Umgestaltung aufgegeben werden. Außerdem bezweifle ich stark, dass gesellschaftliche Veränderungen durch solch einen Umschwung nachhaltig manifestiert werden können.
Es liegt in der Natur von Parteien, dass sie sich auf eine Vision festlegen und diese innerhalb der Partei über Ausschlüsse durch setzen. Dieses sorgt automatisch zu einem Gruppenerhalt indem „wir“ und „die anderen“ definiert wird. Somit ergibt sich automatisch der selbsterhaltende Charakter. Dies steht allerdings nicht im Widerspruch dazu, dass Parteien dem Wandel zu einer libertären Gesellschaft begünstigen können. Letzlich hängt es von der Frage ab, wie der Wandel zu einer libertären Gesellschaft zu vollziehen ist. Ich bin der Meinung, dass der beste Weg dorthin dahin führt, dass Parteien Stück für Stück immer unwichtiger werden dadurch, dass direktere Entscheidungsstrukturen gebildet werden.
Wie im vorherigen Teil angesprochen werden Werte, Normen & die sie transportierenden Geschichten im soziopolitischen Prozessen verändert oder geprägt. Schlußendlich lautet deshalb meine Erwiederung zur Frage a, dass Anarchist*innen zu Unterstützung des gewünschten Wandels in Interaktion mit dem Rest der Gesellschaft treten müssen. Ich maße mir nicht an, eine beste Form dieser Interaktion bestimmen zu wollen, respektiere allerdings die Entscheidungen, die andere fällen und gefällt haben. Des weiteren werde ich es begrüßen, wenn mir dieser Respekt auch gegenüber gebracht wird.
Die Anpassung an das bestehende System, die ich in Frage b ansprach, zu verhindern ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Meiner Meinung nach braucht es dazu den Willen Kritik gegenüber offen zu sein und ständig das eigene Handeln zu reflektieren und gespiegelt zu bekommen. Erschwert wird das ganze durch den postdemokratischen Mechanismus, dass Funktionäre schnell als „die da oben“ bezeichnet und respektlos behandelt werden – doch dazu mehr in einem anderen Blogpost. Ich habe mir diese Frage noch nicht überzeugend beantworten können. Meine momentane Antwort lautet, dass ich darauf achte, stets ein paar Freund*innen zu haben, die nicht von mir abhängen und denen gegenüber ich immer ein offenes Ohr habe.
Die Macht, die Funktionen unseres Gesellschaftssytem inne liegt, für den libertären Wandel – und nicht ihm zuwider für den eigenen Vorteil – zu verwenden ist eine große Verantwortung. Wie ich schon zu Frage a schrieb, müssen Anarchist*innen immer wieder zwischen ihren Zielen und den Mitteln abwägen. Ich sehe die Macht einer Position lieber einer Person mit libertären Ansichten verliehen2 als einer, die von anderen Dünkeln getrieben ist. Der Korrumpierung zu begegnen gelingt nur mit ständiger selbst- und Fremdkontrolle und zu letzterer bedarf es auch ein Klima des beidseitigen Vertrauens welches momentan selbst in meiner Partei nicht weit verbreitet zu sein scheint.
Aus obigen Gründen schließe ich, dass ich als Anarchist Teil einer Partei sein kann. Auch wenn die Begründung weit gefasst ist erachte ich diese Entscheidung trotzdem als eine persönliche und sehe in meiner Argumentation keinen Allgemeingültigkeitsanspruch. Ich danke allen, die sich durch diese Textwüste durch gearbeitet haben und freue mich auf eure Rückmeldungen :)
- Diese Betrachtung als Trennung ist fragwürdig, denn eigentlich sollten beide nicht im Widerspruch zueinander stehen, wie sie es gerade in Bezug digitaler Lebensaspekte tun. Mensch könnte hierin sogar eine Manifestation von postdemokratischen Denken erkennen. ↩
- Ja, hier schreibe ich implizit, dass ich eine solche Position anstrebe. Und jetzt noch mal explizit: ich strebe ein Bundestagsmandat an. Mehr dazu im nächsten Post ↩
Oni
August 14
Wo kann ich dich zum Kanzler* wählen? ;)
Mal im Ernst: Ich bin inzwischen auch der Überzeugung, dass gesellschaftliche Veränderung auch einer parteipolitischen Komponente in den Parlamenten bedarf. Und deshalb schweren Herzens den Piraten beigetreten trotz meiner Abneigung gegen Parteipolitik, sowohl intern (im LV NDS brauchen wir da momentan große Leidensfähigkeit) als auch zwischen den Parteien. Aber nur durch Mit- aber anders machen können wir die Kultur ändern.
Spotter
August 14
Hey,
Mir fehlt eine elementare frage, mit der du sich vielleicht noch gar nicht auseinandergesetzt hast:
Wie kannst du es vereinbaren als Anarchist gleichzeitig für andere Menschen zu sprechen und zu entscheiden.
Anarchisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie Entscheidungen immer nur für sich selbst treffen, weil sie sagen: „ich möchte nicht über andere entscheiden und möchte diese nicht vertreten, genauso will ich nicht dass für mich entschieden wird“
Denn niemand kann mich und meine individuelle meinung
so gut vertreten, wie ich selbst.
acid
August 17
Ich habe mich damit auseinander gesetzt und wollte es eigentlich auch schon zur Frage d beantwortet haben, offensichtlich allerdings nicht deutlich. Deshalb danke ich für deinen Kommentar.
Ich sehe darin auch das zentrale Problem und kann das annehmen von institutioneller Macht vor mir nur dadurch rechtfertigen, dass ich dieses tue, um die Gesellschaft in die gewünschte Richtung zu bewegen.
Ich stimme dir zu, dass jede*r am besten für sich selbst sprechen kann, jedoch kann ich mich leider nicht deiner Definition eines Anarchisten anschließen. Stimme dir aber zu, dass es nach dieser Definition nicht zu vereinbaren ist. Allerdingsist das Verhalten vieler Anarchist*innen nicht mit dieser Definition zu vereinbaren.
TJ
August 14
Hi Acid,
toller Text und auch wenn ich mich nicht als Anarchist sehe, habe ich soch sehr ähnliche Motive mich in der Partei zu engargieren.
Auch ich will unsere Gesellschaft zu einer freiheitlicheren, und selbstemazipierten Gesellschaft weiterentwickeln und habe – vielleicht Bedingt durch mein Aufwachsen im Post-Sozialismus (NDB*)- von Anfang an das Gefühl entwickelt das *REvolutionen* der Falsche weg sind und wir eine Evolution brauchen.
viele grüße aus München
TJ
*sog. „neue deutsche Bundesländer“
endolex
August 14
Feiner Text! :) Ich sehe es auch absolut so, dass die ‚anarchistische Revolution‘ eine langsame ist, die von Mensch zu Mensch stattfinden muss, um über das schön beschriebene Wechselspiel gesellschaftlicher Trends und Gesetzgebung Veränderungen herbeizuführen.
Antje Schrupp hat ja vor kurzem einen schönen Beitrag geschrieben: http://antjeschrupp.com/2012/08/08/parteipolitik-lobbyismus-kommerzieller-journalismus-thats-why-nix-funktioniert/
Und umschreibt dort ihrerseits, wie sich der vermeintliche Widerspruch zwischen ‚Ablehnen der Machtstrukturen‘ und ‚etwas bewirken‘ aufheben lässt. Sie beschreibt das Prinzip als ein „Fernhalten von der Logik der Macht, nicht aber von den Orten der Macht“. Bedeutet für mich: Auch nicht von den Personen der Macht, ob man ihnen nun nahesteht oder sie selbst verkörpert. Genau das wäre eine fataler Weg in die ‚anarchistische Isolation‘, welche im Hinblick auf jedwede progressive Bewegung stets wenig dazu beitragen kann, die Gesellschaft zu verändern, wie ich glaube.
Unterm Strich ist meine Sichtweise die, dass in der täglichen weltrettenden Flauscharbeit die existierenden Strukturen sehr wohl kritisch zu beobachten sind (allein schon um zu erkennen, wie sich etwas besser oder schlechter organisieren lassen könnte), ich diese Strukturen aber nicht ‚an sich‘ bekämpfen (im Sinne nichtkonstruktiver Kritik) muss, jedoch mich auch nicht ihnen vereinnahmen lassen sollte (D&D-Kenner würden das wohl ‚Neutral Gut‘ nennen…xD).
So töricht ich also das bloße Greifen nach einem einflussreichen Posten nur um der Macht willen finde, so unsinnig fände ich es, eine wie auch immer durch gegenwärtige Zustände bedingte persönliche (also z.B. parteipolitische) Reichweite absichtlich nicht zu nutzen, wenn es um das Verbreiten wichtiger (z.B. anarchistischer) Botschaften geht, nur weil in dem Fall die Gesinnungsethik der Verantwortungsethik gegenübersteht.
(Ein bißchen erinnert mich das ja auch an die kürzliche Debatte darüber, ob männliche profeministische Erklärbären ihre Privilegien affirmieren, indem sie Feminismus verbreiten.)
Das waren ein bißchen viel Klammern und Assoziationen, aber ich schreib das auch alles zum zweiten Mal jetzt und bin nicht mehr so klar im Kopf grad. Jedenfalls nochmal: Feiner Text! :)
H. Schwarzenroth
August 23
Ich kann den Großteil deiner Argumentation durchaus nachvollziehen und teile auch einzelne Punkte hinsichtlich meiner Einstellung zum Anarchismus. Jedoch erschließt sich mir nicht, warum du beim derzeitigen Klima in der Partei AKTIV bist, d.h. dich auch für Belange der Partei einsetzt.
Schließlich schreibst du im obigen Beitrag selbst, dass es „auch ein Klima des beidseitigen Vertrauens“ bedarf, „welches momentan selbst in meiner Partei nicht weit verbreitet zu sein scheint.“ Das sehe ich irgendwie als Widerspruch.
acid
August 24
Danke euch alle für die Kommentare :)
H. Schwarzenroth:
Nun, wenn ich drauf warte, dass wundersamer Weise Vernunft in uns alle einzieht, wird dieses Klima wohl nie aufkommen. Da versuche ich lieber meinen Beitrag zu leisten bevor sich zu viel schlechtes einbrennt.
Telegehirn
August 29
Anarchie ist nicht wählbar. Wie “parlamentarische Anarchisten” die Reaktion stützen, statt sie zu stürzen….
Seit einigen Monaten wabern sich durch das Internet: Die sogenannten “parlamentarischen Anarchisten.” Es lässt sich nur schwer bestimmen, ob ich es hier mit einer Gruppe von sehr naiven Menschen zu tun habe, die einfach alle anarchistischen…
Anarchobronies – Bildet Banden!
September 13
[…] Gast war @Carridwen und wir sprachen eingangs die Blogposts von acid und Syndikalista an, auf die wir aber erst in der nächsten Ausgabe eingehen […]
Lars
Oktober 2
Hi Acid,
nun kam ich auch endlich dazu, diesen Text zu lesen. Soweit mir bekannt ist, gibt es auch innerhalb der anarchistischen Bewegung durchaus Positionen, dass sich Anarchist*innen zu einer Partei zusammenschließen könnten und sie damit als Tool benutzen, nicht als Identifikation, zum anderen Anarchst*innen zumindest mit einer Partei leben können, wenn sie sich auf ein Minimum beschränkt.
Die große Revolution wird jedenfalls keine Veränderung bewirken, wenn ihr nicht die Veränderung der menschlichen Strukturen voran geht, da der Staat nur Ausdruck dieser menschlichen Struktur ist, die den Menschen systematisch anerzogen werden.
Gewaltsame Revolution missachtet vor allem die Freiheit des Anderen, sich in einer eigenen Struktur zu organisieren, die nicht meiner entspricht. Der Staat kann dann abgeschafft werden, wenn die Gesetze so reduziert wurden, dass eine Staat nicht mehr notwendig ist, hierfür macht es Sinn, dass sich Anarchisten mit dieser Zielsetzung an den gesetzgebenden Stellen beteiligen.
Dennoch stehen auch einige Fragen im Raum, die ich auch wichtig finde:
Wie kannst Du als Anarchist*in verhindern, Gesetzgebungen tragen oder entwerfen zu müssen, die nicht zur Reduzierung des Staates führen? Noch gibt es Fraktionszwang und die Piratenpartei besteht nur zu einem verschwindend geringen Teil aus Anarchist*innen, hier sehe ich Schwierigkeiten.
Wie hoch schätzt Du die Gefahr ein, dass immer wieder Anarchist*innen in’s Paralament gehen, weil sie es als Tool benutzen wollen und damit eine kontinuierliche Stütze des Parlaments werden?
Gruß, Lars
Lars
Oktober 2
Kleiner Nachtrag von mir noch: ich finde im Zuge der Diskussion äußern sich einige „Anarchist*innen“ ziemlich aggressiv. Strukturelle, sprachlich Gewalt, besonders wenn sie zur Durchsetzung von Sprachkonventionen dient, scheint mir in jedem Fall anti-anarchistisch zu sein. Menschen, die nicht die Eigeninterpretation des Gegenüber gelten lassen, sondern Sprachherrschaft beanspruchen, sind oft auch jene, die andere Herrschaftsformen erhalten, wenn sie ihren eigenen Interessen dienen.
acidblog » Macht und Mündigkeit
November 3
[…] ist eine Antwort auf die Erwiederung von @Syndikalista zu meinem Blogpost “warum ich als Anarchist in einer Partei bin”. Ich hoffe sie wird die lange Wartezeit wert sein. Denn ich bin ihm sehr dankbar für seine Kritik. […]
Ich*in
Februar 21
Bei der Gegenüberstellung von Revolution und dem Prozess, den du präferierst, geht es nicht um schnell und langsam! Abgesehen davon, dass eine Revolution auch langsam von statten geht, weil nämlich eine ganze Menge Vor- und Nacharbeit dafür nötig ist, geht es vor allem um den Unterschied: von unten nach oben (Revolution) und von oben nach unten (dein „anarchistischer“ Parlamentarismus).
In der spanischen Revolution (die übrigens Mitte des letzten Jahrhunderts war) wurde Gewalt angewandt (wie in jeder anderen auch), um die eigene Freiheit zu verteidigen. Die Menschen hatten die Wahl: Entweder aufgeben und wieder zurück in den starren Zustand fallen und sich „leben lassen“ oder töten um ein eigenes, lebendiges Leben zu haben. Sich also für Gewalt und Töten zu entscheiden ist in der Tat schwerwiegend wie du sagst, denn es verändert etwas. Kontraproduktiv ist es aber nicht, denn es hat die Spanische Revolution vorangebracht!
Außerdem sagst du, dass dein Weg Interaktion mit der Gesellschaft ist. Für mich war Gesellschaft eigentlich immer die Menschen, die um mich herum leben, denen ich begegne, mit denen ich spreche. Und nicht eine kleine Anzahl an Menschen, die gemeinsam mit mir in einer Partei tätig ist. Auf der Straße, auf der Arbeit/Uni/Schule mit Menschen zu interagieren ist zweifelsfrei realitätsnaher und hilfreicher, als mit den Parteigenossen.
Die große Frage ist natürlich, welcher Weg fruchtbarer ist. Dein Weg scheint zu sein, durch die Aktivität in einer Partei viele Menschen zu erreichen und diese irgendwie zu überzeugen, dass der Staat nicht gut ist und wir eine anarchistische Gesellschaft anstreben sollten. Also genau das Gegenteil von dem, was sie im Moment tun. Der Staat soll sich also selbst abschaffen. Das hat ja im Marxismus auch immer hervorragend geklappt! Wie Lars schon geschrieben hat, sollen dann Gesetze geschaffen werden, die den Staat reduzieren. Also Gesetze, die weniger Gesetze machen… oder so ähnlich. Das finden die anderen Parteien bestimmt auch ganz toll! Und deine eigene unterstützt dich dabei ja sowieso, weil die hast du bis dahin ja schon alle zu staatsfeindlichen Anarchisten gemacht. Langsam.
Ok, das ist also der Weg, den du anstrebst. Der andere war ja, andere Menschen zu töten. Diese anderen Menschen sind die, die uns gefangen halten, die uns unserer Freiheit berauben. Und, ganz nebenbei bemerkt in den meisten Fällen zuerst zur Waffe greifen, um die Regierungsgefährdenden „auszuschalten“. Ich wehre mich lieber und verteidige mein Leben und meine Freiheit mit Gewalt als darauf zu hoffen, dass die Regierung sich von Leuten wie dir so lange belabern lässt, bis sie sagt: „Na gut, dann schaffe ich mich eben ab!“
Ob das was du da machst gut, schlecht oder gar nichts ist, sei einfach mal dahin gestellt, aber mit Anarchismus hat das nichts zu tun. Und irgendwelche mensch*en helfen uns auch nicht aus diesem System!
Anarchobronies – Die Sendung mit dem Frank
März 14
[…] sind für euch wohl mein Blogpost “warum ich als Anarchist in einer Partei bin”, seine Antwort und meine […]