Dies ist eine Antwort auf die Erwiederung von @Syndikalista zu meinem Blogpost „warum ich als Anarchist in einer Partei bin“. Ich hoffe sie wird die lange Wartezeit wert sein. Denn ich bin ihm sehr dankbar für seine Kritik. Ich will nicht als falscher Verbündeter erscheinen, aber die Wichtigkeit von Kritik an einer Position ohne die Person, die sie einnimmt, anzugreifen, kann nicht deutlich genug unterstrichen werden.

Ich werde dich, lieber Sydikalista deshalb in diesem Text direkt ansprechen, wie du es auch in deiner Antwort getan hattest, die ich auch nicht als persönlichen Angriff empfunden hatte. Ganz im Gegenteil zu jenem anderen Blogpost, den ich aufgrund mangelnden Respekts meiner Person & Position gegenüber nicht beantworten und auch nicht verlinken werde.

Zu Beginn mochte ich auf ein Konzept eingehen, welches mir bei dir öfters zu begegnen scheint: Der freie Wille, der vom Staat unterdrückt wird und sich nach einer Befreiuung der Menschen von ebem jenen wundervoll entfalten wird. Es ist mir klar, dass wir dieses um so besser können, je weniger wir von restriktiven Regeln und Normen fremdbestimmt werden. Allerdings erweckte es bei mir an einigen Stellen den Eindruck eines Automatismus. Ich gehe allerdings davon aus, dass dieser Eindruck nicht unbedingt von dir gewollt ist.

Das, was wir Menschen wollen wird, meines Erachtens nach, stark von unserer Sozialisation geprägt. Um es mit Schopenhauer zu sagen: „Der Mensch kann wohl tun was er will aber nicht wollen was er will“. Ich finde nicht, dass wir dieses als Fatalismus oder Pauschalbegründing für „wir können doch eh nichts ändern“ nehmen sollte, erachte es allerdings als wichtig, dieses Moment bei politischer Arbeit im Hinterkopf zu behalten.

Als Kinder dieser Gesellschaft haben wir alle Ansichten angenommen, welche in alltäglichem Verhalten die Unterdrückung von anderen (und sicherlich auch teilweise von uns selbst) reproduzieren. Eine freiheitliche Gesellschaft benötigt deshalb anders sozialisierte Menschen, als jene der heutigen Zeit. Auch wenn die Beispiele des letzten Jahrhunderts gezeigt haben, dass auch wir schon einen gutes Stück Weg gehen können, ist eine wirkliche Befreiung aller mit Hilfe der heutigen Menschen wünschenswert aber unwahrscheinlich. Dies unterstreicht nur wieder den Wert von Bildung und Aufklärung aller Menschen einer Gesellschaft.

Des weiteren möchte ich dir bei den Ziel(en) der Piratenpartei widersprechen. Der „Gang durch die Instutitionen“ ist ohne die Veränderung jener zum scheitern verurteilt, das können wir imho ganz gut an den Grünen betrachten. Eine solche Ansicht ist, meinen Beobachtungen nach, auch nicht konsensfähig. Wenn eine Ansicht vorherrscht dann eben jene, dass die Piraten die Partei sind, die maßgeblich daran beteiligt ist, die Parteien durch eine direktere Demokratie abzulösen.

Ich sehe die Aufgaben als Partei momentan darin:

– emanzipatorischer Bewegungen zu unterstützen,
– breite Aufklärung über den Zustand und die Mechanismen dieses Staates zu leisten,
– reaktionäre Mächte zu bekämpfen, bzw. als Schadensbegrenzung an der Netzinfrastruktur zu wirken
– sowie in der Schaffung und Förderung von Bildungsangeboten für alle Menschen

und nicht zwingend darin, Macht zu erhalten, zu behalten und weiter auszubauen. Wenn wir von der Piratenpartei über diesen Weg Einfluss ausbauen wollen würden, würden wir der aktuellen „politischen“ Kultur eine ganze Menge Zeit lassen uns an sie anzupassen. Deswegen muss die Piratenpartei sich auch schnell darauf einigen, dass es wichtig ist, den eigenen Werten treu zu bleiben und Integrität das höchste Gut ist deren Preis wir gerne zu zahlen bereit sind.

Was mich noch ein wenig verwunderte, war, dass du von einer „Wiederherstellung der Gesellschaft“ gesprochen hattest. Da würde mich interessieren, auf welchen Zustand du dich da beziehst, bevor ich das genauer beantworte.

Du fragst mich, wie ich denn für eine freiheitliche Gesellschaft arbeiten will, wenn ich mich im staatlichen Machtapparat einspannen lasse? Darauf möchte ich die Gegenfrage stellen, weshalb du meinst, dass nur der Staat Macht und Privilegien besitzen würde? (Informelle) Hierarchien und Mehrfachunterdrückungen sind feste Bestandteile unserer Kultur, die auch nicht durch ein Ersetzen des jetzigen Staates durch freiere Organisation hinweg gefegt werden. Dies zeigt z.B. auch die Frauenbewegung in der Zeit des spanischen Anarchismus.

Wie schon vorher gesagt: Dies ist kein Fatalismus sondern ein Erinnern daran, dass wir alle nicht frei von Unterdrückungsmechanismen sind und eine freudige Aufforderung, jeden Tag gegen eben jene anzugehen. Es hindert uns nicht (nur) der Staat, es hindert uns das Patriarchat!

Es geht mir nicht darum, irgendeine Notwendigkeit des Staates zu verteidigen, ich erkenne bittere Realitäten an. Ich bin wahrlich kein Fan der repräsentativen Demokratie. Bei der Symbolkraft des Staates halte ich es jedoch für einen legitimen Weg, die Lebensrealitäten, die den Weg in eine freiheitliche Gesellschaft unterstützen, zu schützen und zu fördern.

Wie du schon richtig angemerkt hattest, sind es nicht die Strategien, die uns fehlen. Meiner Meinung nach sind es die Menschen, die sie befolgen. Ich würde mir eine emanzipatorische Bewegung auf breiter Basis wirklich wünschen, sehe da aber, abseits des Netzes, nur eine sehr geringe Verbreitung. Deswegen wählte ich die Form des politischen Engagements, die ich jetzt gerade befolge.

Abschließend danke ich noch für deine erhellenden Worte zum Revolutionsbegriff. Des weiter ging es mir auch nicht darum, die anarchistische Bewegung in Spanien als Despotismus darzustellen, sondern die reine Kampfhandlung als Machtakt zu betrachten.