Was meint der denn nun wieder mit Postdemokratie? Werden sich jetzt wohl einige von euch fragen. Diese seien beruhigt, genau das werde ich hier erläutern. Doch bevor wir uns damit beschäftigen, was nach der Demokratie kommt, sollten wir uns noch kurz damit beschäftigen, was denn nun Demokratie ist und wie es dazu kam, dass wir in der Schule erzählt bekommen, wir würden in einem demokratischen System leben.

Entstanden ist der Begriff im antiken Griechenland und setzt sich zusammen aus „Demos“ für Volk und „-kratie“ für Herrschaft. Zu beachten ist dabei, dass man damals als Volk alle Vollbürger auffasste. Das waren vornehmlich eben jene Männer, die die „High Society“ der Polis bildeten und in großen Villen mit 1-2 Dutzend Sklaven, einigen Lustknaben und allem sonstigen ihrem Stande gemäßen Luxus lebten. Diese hatten natürlich genug Zeit sich mit Kunst, Kultur & Politik zu beschäftigen, während andere die Arbeit für sie taten.

Machen wir einen Zeitsprung in das 18. Jahrhunderts. Der Würgegriff der Kirchen um die Bildung hatte sich im Laufe der Jahrhunderte wieder gelockert und die großen Denker der Aufklärung brauchten einen Sammelbegriff mit dem sie ihre Vorstellungen von Freiheit & Gleichheit verbreiteten konnten. Sie definierten so unseren modernen Demokratiebegriff bestehend aus den Menschenrechten, die garantieren sollten, dass jeder Mensch gleich behandelt wird, und einer Gewaltenteilung der Regierung in richterliche, gesetzgebende & ausführende Gewalt.

So weit, so gut. Erzählen wir die Geschichte mal weiter. Als der verlotterte Adel und der korrupte Klerus einfach nicht wussten, wann es denn mal mit der offensichtlichen Ausbeutung gut ist, stand die Masse auf und begehrte eben jene Rechte für alle. Nicht, dass sie ganz von alleine auf die Idee gekommen wäre. Das damals rechtlose Bürgertum war mit seinem Zustand so gar nicht zufrieden und machte ordentlich Meinung für ihre, ähh Entschuldigung, aller Menschen Sache. Das Bürgertum waren vornehmlich reiche Männer, die in stattlichen Herrschaftshäusern mit 1-2 Dutzend Bediensteten, einigen Mägden und allem sonstigen ihrem Stande gemäßen Luxus lebten. Bei denen waren die alten Griechen gerade „in“ und ihre Damen trugen diese sexy Schwangerschaftskleidchen aus leicht durchsichtigen Stoffen, durch die man fast alles erkennen konnte, Rrrrr!

Noch ein Zeitsprung. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bekam Westdeutschland die Demokratie auf’s Auge gedrückt und es kehrte Frieden in der so genannten „westlichen Hemisphäre“ ein. Die Wahlbeteiligung zu dieser Zeit war hoch und die Menschen beteiligten sich rege in den Parteien während sie sich mehr oder weniger ihrer neuen Freiheit im Wirtschaftsboom erfreuten. An dieser Freiheit klebt & klebte nur ein Makel: Sie ist einfach noch nicht in unserer aller Köpfen angekommen. Denn die Aufklärer versprachen deshalb solch blühende Zustände, da sie davon ausgingen, dass sich die Aufklärung gerade in unseren Köpfen manifestieren würde. Doch mit denen stecken wir nämlich immer noch in den Mythen der vergangenen Jahrtausenden. Aber das ist ja jetzt auch nicht die neueste Erkenntnis, die älteren Semester werden vielleicht den Kampfspruch „Unter den Talaren, Muff von tausend Jahren!“ noch kennen.

Nun gut. Die damals neuen Medien Telefon & Fernsehen hielten in die Haushalte und Köpfe ihrer Bewohner Einzug. Ich möchte hier jetzt nicht näher auf die Veränderungen die der Fernseher oder die Telekommunikation für unsere Gemeinschaft mit sich brachte eingehen, sondern einfach fest halten, dass die Medien immer mehr zu einem lukrativen Geschäft wurden. Wer sich für den Einfluss der Medien auf unsere Gesellschaft interessiert, dem sei die Lektüre von Neil Postman, Noam Chomsky oder John Pilger ans Herz gelegt.

Zurück zu den Menschen, auf die prasselten und prasseln nämlich mehr und mehr für sie größtenteils uninteressante, bzw. ungefährliche, weil sie selbst nicht direkt betreffende, Informationen ein und das Leben beschleunigte sich zu diesem wahnwitzigen, berauschenden und fesselnden Galopp, den wir alle jeden Tag mehr oder weniger mit leben, erleben sowie beleben. Dies führte natürlich dazu, dass man sich immer mehr auf jene verlassen musste und muss, die diese Flut von Informationen sichten, ordnen und wieder aufbereitet weitergeben. Aber dafür gibt es ja die Pressefreiheit.

Als die Menschenrechte verfasst wurden, waren die Medien jedoch lange nicht so ein Geschäft, wie sie es heutzutage sind. Der Großteil der Bevölkerung konnte eh nicht lesen und besaßen auch gar nicht die Bildungsaspiration, geschweige denn die Ressourcen, dazu, der Schrift mächtig zu werden. Seit dem letzten Jahrhundert ist das freilich anders, der Anteil derer, die mit der Schriftsprache Probleme haben, beträgt wenige Prozent der Bevölkerung. Es bildeten sich immer mehr Medienunternehmen, die im Laufe der Jahrzehnte einem Prozess der Konzentration auf wenige große Konzerne unterworfen wurden. So was kommt natürlich sehr uncool beim Rezipienten an und deshalb gibt es immer noch einen schönen bunten Park von zielgruppenspezifischer Medien, die im Endeffekt aber extrem wenigen Leuten gehören. Und da man nicht gerne die Hand beisst, die einen füttert, ergab es sich einfach, dass gewisse Nachrichten nicht mehr das Volk erreichten und immer suggestiver gearbeitet wird. Ich sag‘ nur: „Bild dir meine Meinung!“

Interessant wird die ganze Sache jetzt, wenn man bedenkt, dass so ein Volksvertreter natürlich bei möglichst vielen Leuten beliebt sein möchte. Ergo möchte er nur gute Presse haben, aber mit den Freunden in den richtigen Positionen klappt das ja auch ganz gut. Um seine Beliebtheit noch zu steigern, fährt so ein Politiker ständig durch die Republik, von Termin zu Termin um mit Parteifreunden, Lobby & Stimmvieh in Kontakt zu bleiben. Dazu kommt dann noch die eigentliche Politik in Form von Parlaments-, Ausschuss-, Partei-  sowie Fraktionsarbeit hinzu. Das führt dann dazu, dass die armen Volksvertreter so gut wie keine Freizeit haben und erst Recht nicht die Zeit, sich darüber  Gedanken zu machen, wo man denn mit seiner politischen Arbeit so hin will1.

Aber dafür gibt’s ja praktischerweise die Lobbyorganisationen und „Think Tanks“, die den überarbeiteten Parlamentarier (und selbstverständlich auch den interessierten Bürger) freundlicherweise mit den Informationen über die Lage der Nation und was denn alles so geschehen müsste versorgen. In Deutschland sind da z.B. die Bertelsmann-Stiftung oder die INSM ganz groß dabei. Bedenklich wird das ganze, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, wer hinter diesen Organisationen steckt. Das sind nämlich eben jene, die auch die Medien in der Hand haben und so dem Volk die Meinung vor geben. Das hat ja auch nicht die Zeit, groß über die Nachrichten nachzudenken oder selbst mal zu recherchieren.

Ich werd‘ jetzt nicht groß auf die möglichen Beweggründe dieser medialen Schattenherscher eingehen. Wer sich dafür interessiert, der möge mal anfangen das Netz danach zu durchsuchen. Dort findet sich viel abstruses und ich überlasse es eurer Medienkompetenz die Spreu vom Weizen zu trennen. Und es ist ja auch schon erschreckend genug, sich das Offensichtliche genauer anzuschauen.

Wen man diese Informationen allerdings im Hinterkopf behält, dann erklärt es sich sehr gut, wie es nach den 68ern zu dieser Politikverdrossenheit gekommen ist, die die schleichende Veränderung zur Postdemokratie begünstigt hat. Schon als ich ein Jugendlicher war2 nahm ich von extrem vielen Menschen um mich herum eine „die da oben machen doch eh was sie wollen“-Haltung wahr. Zu Anfangs wusste ich noch nicht genau warum, war ich doch politisch aktiv, doch bald realisierte ich, wie es dazu kam.

Da unsere Volksvertreter ja auf dem Papier nur ihrem Gewissen verpflichtet sind3, versprechen sie im Wahlkampf weitaus mehr als sie halten können, einfach damit sie gewählt werden. Doch einmal in der Machtposition angelangt, gibt es Druck von lauter wichtigen Seiten (Der Partei, den Lobbies, den Medien) so dass die politische Arbeit fast ausschließlich aus Sachzwangpolitik besteht, mit der versucht wird, möglichst all diese Seiten glücklich zu machen.

Nun würde man ja in der Theorie davon ausgehen, dass der Wähler ein solches Verhalten bei der nächsten Wahl bestrafen wird. Doch dem ist leider nicht so. Denn zum einem zieht sich dieses Phänomen durch alle Parteien4, so dass dem Wähler nicht wirklich eine Option geboten wird, und zum andern wird er durch das Medienkarussell derart auf Trab gehalten, dass die letzte Wahl schon vergessen ist, wenn die nächste ansteht.

So hat es sich ergeben, dass eine enorme Distanz zwischen Souverän und Volk entstanden ist. Dies gipfelte dann die abenteuerlichsten „Reformen“. Unsere Volksvertreter haben dank der obig beschriebenen Einflüße immer mehr für die Allgemeinheit kritische Funktionen wie (Tele-)Kommunikation, ÖPNV und Gesundheitswesen privatisiert. Doch es kommt noch schlimmer: Inzwischen werden immer mehr Aufgaben innerhalb von Behören an Unternehmen ausgelagert. Outsourcing ist ja total in, das predigen die Marktweisen schon seit langen. Und die Gesetze werden mit Hilfe von Anwälten entwickelt, die freundlicherweise von der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden.

Das Volk interessiert die Akteure in diesem wahnwitzigen Spiel um Macht & Einfluß eigentlich gar nicht mehr. Hauptsache es wählt einen und wird ansonsten möglichst wenig mit Politik belastet. Gerade an der Gestaltung der EU und den Volksabstimmungen bezüglich dieser in den Ländern, bei denen man eine Volksabstimmung nicht umgehen konnte, zeigt sich das sehr gut. Da wird scheinbar getreu dem Motto „Und bist du nicht willig, so wählst du nochmal!“ gehandelt. Doch auch in unserem schönen Deutschland kann man dies sehr gut in der aktuellen Legislaturperiode betrachten. Das sogenannte Zugangserschwernisgesetzt tritt die Gewaltenteilung mit Füßen, es gab schon zwei Versuche, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu legitimieren und das Parlament erklärt sich dank immer öfter gar nicht geführten Diskussionen immer mehr zur Farce, indem Reden zu Protokoll gegeben und die Gesetzte mit Hilfe des Fraktionszwanges innerhalb der Fraktionen der großen Koalition durch gewunken werden.

Nun gut, das ganze ist ja schon ein recht komplizierter Themenkomplex und ich hoffe ich habe es halbwegs verständlich aufdröseln können. Ich möchte auch nicht die Schuldigen suchen und dann anfangen meinen Hass auf diese Vereinigungen und Menschen zu entladen. Das macht keinen glücklich und ist im Allgemeinen für die eigene soziale Reputation nicht wirklich zuträglich. Viel wichtiger ist, dass wir uns dieser Entwicklungen bewußt werden und auf breiter Front wieder anfangen die demokratischen Mechanismen einzufordern und zu nutzen, bevor es zu spät ist.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit

  1.  Ganz ehrlich Leute: Ich will den Job nicht machen!
  2. also zu Beginn der 90er
  3. Wer sagt eigentlich, dass dieser Umstand demokratisch ist? Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal
  4. Wenn sie denn groß genug geworden sind um kleine Brocken der Macht zu erlangen