In letzter Zeit bin ich, dank Schule & Arbeit, derbe am rotieren und komme deshalb kaum zum schreiben. Nichtsdestotrotz wollte ich, da ich schon einmal angefangen habe, mich zu erklären, den Kerngedanken meines Strebens doch gerne mal fest halten.
Es geht hier um allgemeingültige Überlegungen zu Gesellschaftstheorien sowie Modellen, die Systeme der menschlichen Interaktion beschreiben, wie sie z.B. in der Volkswirtschaftslehre vorkommen. Ich habe mir verschiedenste Theorien und Modelle aus diversen politischen Richtungen zu Gemüte geführt und allen folgen diesem Irrtum. Ich würde mich freuen, wenn mir jemand ein Gegenbeispiel aufführen könnte, aber wahrscheinlich wäre dieses dann kaum noch unter dem Begriff des Modells aufzufassen.
Das Ziel
Die Ziele der von mir betrachteten Gesellschaftstheorien sind meist ähnlich: Man möchte den Bürgern ein menschenwürdiges Leben in weitesgehender Freiheit gewähren. Das hat jetzt eigentlich nichts direkt mit dem Irrtum zu tun, ich wollt das nur einmal vorher fest halten, weil ich das später noch einmal brauche. Es gibt natürlich auch Theorien und Modelle, bei denen das nicht der Fall ist, aber alle haben ein Problem gemeinsam:
Das Dilemma
Menschen sind furchtbar kompliziert und ihr Verhalten schwer voraus zu sagen, besonders dann, wenn sie einen hohen Bildungsstand aufweisen und sich sozial engagieren. Die Grundlage auf der wir unser Verhalten begründen und wie wir Entscheidung fällen wirft uns immer noch viele Fragen auf.
Die (vermeintliche) Lösung
Der eifrige Theoretiker, dem es hauptsächlich darum geht seine Theorie an den Mann oder die Frau zu bringen greift deshalb zu den abenteuerlichsten Mitteln. So geht die klassische Mikroökonomie1 wie auch die Makroökonomie, die ich gelehrt bekam, der Einfachheit halber von „rational“ handelnden Individuen aus, aber auch Locke greift auf diesen Kniff zurück.
Das mag auf den ersten Blick ganz einleuchtend wirken. Man kann so recht einfach die Gültigkeit seiner Theorie und einzelner Phänomene „belegen“. Problematisch wird das ganze allerdings, wenn man aufgrund der so erstellten Modelle Rückschlüsse für die Realität zieht. So ist der unsägliche Irrglauben der Makroökonomie, dass einem Wirtschaftswachstum auch zu steigenden Beschäftigungszahlen auf ein Modell zurück zu führen, welches schlicht zu simpel angelegt ist und wichtige Faktoren ausblendet.
Wenn es nun um Gesellschaftstheorien geht, tritt das schwer zu meisternde Dilemma noch viel stärker in den Vordergrund. Hier will man zeigen, dass die Umsetzung der eigenen Theorie von Erfolg gekrönt sein wird, da sich die Menschen wie gewünscht verhalten werden. Dazu gehen alle von einer einfachen Regel aus:
Wenn ich die Spielregeln für alle Induviduen nach den Prinzipien X gestalte, dann ist es für diese logisch sich nach der Art/den Arten Y zu verhalten.
Auf den ersten Blick leuchtet das ja vielleicht noch ein. Aber man sollte sich dessen bewusst sein, dass es sich hier um Menschen handelt und da entwickelt sich das große Spiel des Lebens unter den Mitgliedern der Gesellschaft. Denn, und davon bin ich überzeugt, der Mensch ist ein Kulturwesen oder, anders formuliert, Menschen werden bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung entscheidend von der ihnen durch Familie, Bildungsinstitutionen und Bezugsgruppen vermittelten Kultur geprägt. Das ist jetzt nichts neues, wenn man sich mal ein wenig mit Soziologie beschäftigt hat. Nur ist daraus noch nie so wirklich Konsequenz gezogen worden, wenn es um Gesellschaftstheorien ging.
Anzumerken ist hierbei, dass meine Definition von Kultur weitaus mehr meint als bloße Kunst. Sie beschreibt diese Mischung aus Werten, Normen, Weltbild, Kunst, Geschichte, Philosophie und – im schlimmste Fall – Religion, die uns prägt. Ich gebe zu, dass dies Wort nicht perfekt gewählt ist, mir ist bis jetzt aber kein besseres dafür eingefallen. Ich wäre erfreut, wenn mir jemand ein besseres vorschlagen könnte.
Sicherlich, man kann auch später noch neue kulturellen Werte und Ideale annehmen oder entwickeln. Aber das ist immer schwer und wirklich tiefgreifende Veränderungen umzusetzen erfordert sehr viel Selbstdisziplin.2 Doch hat das letzte Jahrhundert sehr eindrucksvoll gezeigt, dass die besten Ideen nicht funktionieren, wenn die Menschen, die sie Leben, nicht dahinter stehen. Jetzt mal ganz dessen ungeachtet, dass die Diktatur des Proletariats an sich schon eine ziemlich dumme Idee ist3, war die Korruption, die sich schon zu Beginn der russischen Revolution zeigte, sehr Beispielhaft .
Evolution statt Revolution!
Deshalb bedarf es, meiner bescheidenen Meinung nach, eines neuen Ansatzes bei der Formulierung von Utopien. Anstatt sich (durchaus richtige und wichtige) Gedanken um Regierungsapparat, Gewaltenteilung, Rechtswesen etc. zu machen, ist es an der Zeit sich damit zu beschäftigen, wie wir unsere Kultur derart weiter entwickeln können, dass alle Mitglieder ohne äußeren Zwang friedlich zusammen leben wollen. Ich denke, dass wir erst dann friedlich, nachhaltig wirkend und ernsthaft effizient zusammenleben können, wenn wir jenen äußeren Zwang durch Gewaltmonopol und Gesetzesapparat, der momentan leider erforderlich ist, in die Köpfe der Menschen verlegt haben, auf dass diese merkwürdigen Regeln, die nie so richtig passen wollen, nicht mehr benötigen. Anders, mit Hilfe der Spieltheorie, formuliert: Unsere Kultur muss sich derart verändern, dass es für alle Spieler die beste Strategie ist, sich altruistisch zu verhalten.
Es liegt noch viel Weg vor uns. Eine zweite Aufklärung, eine Aufklärung, die wirklich Wissenschaft, Kunst und Philosophie unter das Volk bringt und von den Mythen der letzten Jahrtausenden befreit, ist von Nöten. Wir müssen uns dabei bewusst sein, dass diese von denen, die momentan die Meinung diktieren,4 höchstwahrscheinlich nicht gewünscht ist. Es wäre wünschenswert, wenn man jene überzeugen könnte, aber ich denke, damit ist frühestens nach einem Generationenwechsel zu rechnen.
Uns kann keine gewaltsame Revolution aus unserer Misere befreien. Dass einzige was wirklich helfen wird ist eine Evolution hinaus aus diesem Sumpf der Kinderzeit unserer Spezies, dem sich ständig wiederholenden Spiel von emotionaler Kontrolle, Ausbeutung und Zerstörung hin zu einer vernünftigen und seines Wesens bewussten Zeit, in der man unsere Spezies langsam als erwachsen bezeichnen könnte.
- Die klassische Mikroökonomie ist das vorherrschende Glaubensmodell der marktradikalen Wirtschaftsweisen. ↩
- Das erlebe ich selbst seit längerem an meiner Entwicklung. ↩
- irgendwie kann mir die Logik hinter den Gedanken Marx uns Engels nicht einleuchten. Erst alle Gleichschalten und ihnen dann die totale Freiheit geben. Wer will die dann noch?!? ↩
- da die Masse so erzogen wird, dass sie sich die Meinung diktieren lässt ↩
acidblog » Ein Grundstein
November 14
[…] Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass uns all diese -ismen dabei mehr behindern als helfen. Ihnen allen wohnt der Gedanke inne, dass man Menschen bzw. ihre Gemeinschaften durch Druck von außen formen kann. Das stellt für die Bildung autoritärer Gesellschaftsstrukturen eine ausgiebig und erfolgreich angewandte Strategie dar. Jedoch kann es uns auf dem Weg hin zu meiner Utopie nicht helfen. Äußerer Druck formt zwar kurzfristig Gemeinschaften jedoch brauchen diese immer weiteren Druck um bestehen zu bleiben. Da hatte ich auch schon mal in deutlich verkopfter drüber geschrieben. […]
tutnichtszursache
Mai 23
Les doch mal Marx und Engels. Du wirst feststellen das da nirgends was von „alle gleichschalten“ zu finden ist.
Abgesehen davon ist das wichtige an deren Theorien auch die Analyse des Kapitalismus und nicht das Aufzeigen eines potentiellen Wegs in eine Gesellschaft ohne – das tun sie nämlich nicht.
Anmerkung 3. offenbart eigentlich nur mangelnde Sachkenntnis.
acid
Mai 28
Danke für deinen Kommentar, hätte nicht gedacht, dass noch jemensch auf so einen alten Blogpost antwortet. Ich würde das heute bestimmt nicht mehr so kommunizieren, vor allen Dingen da sich meine Meinung zu dem Thema inzwischen geändert hat.