Ich wurde gebeten, eine ausführliche Antwort auf diese Frage zu stellen. Da bietet es sich doch an, diese auch gleich hier zu veröffentlichen.

Die Gesellschaft in der ich lebe, ist eine sehr facettenreiche. Sie mag einem, je nach Perspektive, vollkommen unterschiedlich vorkommen und es ringen verschiedenste Kräfte darum, sie nachhaltig in ihrem Interesse zu prägen. Mit mehr oder minderen Erfolg. Dies hat mehrere Gründe die auf unterschiedlichen Ebenen zeitgleich wirken:

Es herrscht ein Wertepluralismus vor.

Wahrlich kein neues Phänomen, war es doch das Thema der Soziologie und gesellschaftskritischen Philosophie der 90er Jahre, ist es doch ein zentrales Faktum für den Zustand „westlicher“ Gesellschaften. Die parallele Existenz diverser Lebensweisheiten in stets unsicheren Zeiten voll schwer vorhersehbaren tiefschürfenden Veränderungen führt zu stetig differenzierteren Peer-Groups, die sich zum Teil quer durch die Milieus erstrecken. Die dominierende Strategie des postmodernen Menschen ist die des Individualisten, ständig auf der Suche nach sich selbst im Kontext diverser Peer-Groups und Situationen.

Ich erlebe eine Mediengesellschaft.

Unser Lebensalltag ist geprägt durch eine wahre Medienflut die ständig über uns herein bricht. Die Medien der Postmoderne veränderten und verändern zentrale Momente des innergesellschaftlichen Wertekanons1, ein weiterer Faktor, der zur allgemeinen Unsicherheit beiträgt. Derweil vollzieht sich in unserer Medienlandschaft das selbe entsetzliche Schauspiel wie in allen anderen westlichen Industriestaaten. Während die unfassbare Grausamkeit der Globalisierung und des fortschreitenden Imperialismus auf seinem Weg zur „New World Order“ dank der marktwirtschaftlichen Strukturen verschwiegen, verschönt und alltäglich sowie beliebig dargestellt wird2, ist das Volk, getreu dem uralten Motto der Imperialisten „Brot & Spiele“, gebannt von absurden Bedrohungen – die sich, wie ein Horrorfilm nach dem anderen, regelmäßig abwechseln, nachdem sie sich nach kurzer Aufflammen in Beliebigkeit auflösen – und erlöst mit belangloser Unterhaltung.

Die frappierende Distanz der Darstellung der Mainstream-Medien von dem Faktischen wirkt beängstigend und absurd. So ist mein Vaterland gerade an einem, natürlich Völkerrechtswidrigen, Krieg beteiligt. Ein Verbrechen welches explizit durch unser Verfassungsimprovisorium, welches eigentlich schon vor einem guten Jahrzehnt durch eine vom Volk gewählte Verfassung hätte ersetzt werden müssen, verboten wird.

Ich lebe in einer Sicherheitsgesellschaft.

Mit den obig erwähnten Bedrohungsszenarien werden schon seit über einem Jahrzehnt schleichende Beschneidungen der Bürgerrechte etabliert. Beginnend mit Rasterfahndung und dem Großen Lauschangriff hat der Überwachungswahn in Form von täglich neuen „Sicherheitskameras“, der Vorratsdatenspeicherung und schlussendlich dieser unsäglichen Grundlage zur Zensur des Internets – die fundamentalen Grundsätzen unseres Rechtsstaates widerspricht – beängstigende Formen angenommen. Souverän wie die im bunten Reigen gewählte Politelite sind in diesem Prozess getrieben von Ängsten und Verbindlichkeiten, aber darüber schrieb ich schon an anderer Stelle.

Leider fördert eine solche Umgebung der ständigen Überwachung unterbewusst Konformität. Allerdings führt Konformität zu einem Versiegen des innergesellschaftlichen Diskurses und somit letztlich zur Stagnation ob fehlender Impulse. Und Stagnation kann für eine Gesellschaft, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, nicht gesund sein!

Und dann ist auch noch Krisenzeit.

Das systemimanente Problem hat ein weiteres Mal zugeschlagen. Unsere Regierung hat ihre Auswirkungen, in ihrer grenzenlosen demokratischen Weitsicht, mit abenteuerlichen Methoden über den Wahltermin hinaus geschoben. Erwartungsgemäß wird die Krise den Realmarkt im nächsten Jahr mit aller Härte treffen. Die Auswirkungen dieses Handelns sind nicht abzusehen. Vor allen Dingen, wenn man folgendes bedenkt:

Die Gesellschaft entwickelt sich langsam aber unaufhaltsam aus der Postmoderne hinaus. Dank fortschreitenden technischen Fortschritt entledigt sich die Wirtschaft immer mehr nicht mehr benötigter Arbeitskräfte. Die Politelite, gelähmt durch ihre Machtspiele und blind vor diesen Veränderungen, hält währenddessen noch an veralteten Konzepten der Moderne fest und schürt so einen schwelenden Konflikt. Doch so sehr sie sich jetzt noch winden, um den Kapitalismus am Leben zu erhalten wird über kurz oder lang kein Weg an neuen Konzepten[wie dem garantierten Grundeinkommen] vorbei führen.