Ich war gerade spazieren.
An sich wandle ich wirklich gerne draußen herum, Paderborn bietet für eine Stadt einiges an Grünflächen und Naherholungsgebiete, da lässt sich ein Spaziergang recht angenehm gestalten. Heute aber waren viele Leute unterwegs. Leuchtet ja auch ein, ist ja Sonntag, da kann man eigentlich nur früh Morgens in aller Ruhe spazieren gehen.
Es ist nicht so, dass mich die Leute an sich stören würden, die sind ja auch einfach nur Menschen. Es ist sogar durchaus mal interessant zu beobachten, wie Familien und Freizeitgruppen sich außerhalb bewegen, in was für Formationen sie sich bewegen (und welche Rollenbilder dabei erfüllen). Aber mich stört diese Einsamkeit in der Masse. Dieses stumme aneinander Vorübergehen ohne einander zu grüßen oder einen sonstige Anstalt der nonverbalen Kommunikation zu machen, dass man den Gegenüber wahr genommen hat.
Mir will das nicht so ganz in den Kopf. Wir sind Herdentiere, die in einer Gemeinschaft leben müssen. Ab und zu gibt es zwar Ausreisser die irgendwo weitab als Einsiedler ihr Heil zu finden suchen, aber derer gibt es wahrlich nicht viele. Unser Gemeinschaftsleben ist durch dieser unmenschlichen Art des definitiv-nicht-gemeinschaftlichen ignorieren/ausblenden geprägt. Diese zwischenmenschliche Kälte, die da draußen vorherrscht, schmerzt mich jedes Mal. Kaum jemand, der einen in die Augen schaut, noch viel seltener ein (schüchternes) Lächeln. Man verkehrt nur mit den Menschen, die man schon kennt oder seiner sozialen Klasse entsprechend gekleidet sind.
Nun, ich muss einräumen, dass ich es meinen Mitmenschen wahrlich nicht einfach mache. Seit über einem Jahrzehnt schon bevorzuge ich ein Styling welches auf einige Mitmenschen beängstigend, auf den Großteil aber zu mindest irritierend wirkt. Ursprünglich begann ich damit u.a. als eine Art Schutzschild, den ich gegenüber dem Mobbing meiner Mitschüler und den Bewohnern der ländlichen Gegend, in dem ich aufwuchs, aufbaute. Natürlich versuchte ich damit auch ein wenig mir eine andere Herde in der großen Herde zu suchen. Aber im Laufe der Jahre entwuchs ich auch dieser und führte mein Bestreben – einfach ich zu sein und mich so zu kleiden, wie es mir beliebt – konsequent fort.
Aber genug von mir und meinem Auftreten. Ich würde einfach gerne durch die Gegend gehen und den Menschen fröhlich einen guten Tag wünschen können und/oder von anderen Fremden gegrüßt werden. Ohne dabei schräg mit einem „auf was für ’ner Droge ist den der Freak unterwegs?“-Blick betrachtet zu werden oder zu sehen, wie ihre Eltern ihre Kinder vor mir in Schutz bringen. Aber dafür müsste man sich ja von seinen Ängsten und Vorurteilen befreien,,,
Nuja, vielleicht wohne ich auch einfach in der verkehrten Gegend, im Allgemeinen sind ja Ostwestfalen nun wirklich nicht für Offenheit und Herzenswärme bekannt. Ich finde es jedenfalls sehr Schade.
Daniel Schweighöfer (acid) 's status on Sunday, 23-Aug-09 17:56:28 UTC - Identi.ca
August 23
[…] http://acidblog.de/index.php/2009/08/irgendwie-sonderbar/ […]
taxro
August 23
hm ja du hast vollkommen recht. ab sofort werde ich jeden „freak“ freundlich gruessen, koenntest ja du sein. dafuer musst du auch jeden „nicht freak“ gruessen, koennte ja ich sein.
acid
August 23
@taxro Hmm, hast ja vollkommen recht. Deal! :)
morinox
August 23
Das ist IMHO aber ein Paderborner Phänomen. Speziell wenn ich beispielsweise mal in Freiburg bin, erschrecke ich förmlich, wenn einen wildfremde Menschen einfach mal so anlächeln. Dann wird einem das erst richtig bewusst mit den Stöcken in den Hinterteilen der Lokalbevölkerung.
linse
August 24
Also ich finde, das haengt enorm von einem selber ab.
Wir kommen in Paderborn auch immer mit total vielen Leuten ins Gespraech, egal wie „freaky“ wir gerade aussehen. Das liegt aber vielleicht daran, dass ich meine Wocheneneden da mit einem sozialen Wunderkind in Punkrocker-Gestalt verbringe, der quatscht jeden an und wickelt auch alte Omas um den Finger.
Macht Spass, probier’s einfach mal aus.
Ich finde auch nicht, dass Paderborn da anders als andere Staedte ist. Die Ostwestfalen moegen etwas langsamer sein, aber dann sind sie sehr herzlich.
Jedi_Schaf
September 1
Meiner bescheidenen Erfahrung nach ist es sogar so das man sehr viel Reaktion kriegt wenn man freundlich lächelt und grüßt. Bei weiten nicht immer und ins besonders in Ortsteilen wo die Leute eher mit angst auf die Straße gehen eher weniger aber trotzdem kann man das Eis durchaus brechen mit einem Freundlichen nicken. ich habe vor einer weile den Original Knigge mir mal zu Gemüte geführt. Dort kann man richtig sehen wie verarmt unsere Zwischenmenschlichen Beziehungen mittlerweile sind. Ein Beispiel: Bis zu Zeiten des zweiten Weltkrieges war es allgemein üblich das wenn man ein Lokal/Café/Bistro betrat man den Hut abnahm und die anwesenden deutlich vernehmbar grüßte. Ich denke ich muss euch nicht sagen wie es heute mit diesen Brauch in normalen Lokalitäten aussieht aber der einzige weg aus diese Verarmung ist aktive entgegen zuwirken. Mit grüßen das Schaf
acid
September 13
@linse Hmm, stymmt schon. Ich habe auch in letzter Zeit öfter’s versucht, Leute zu grüßen. Aber ich muss dann doch zugeben, dass ich dann doch immer mal wieder überhaupt keinen Bock drauf habe. Insofern muss ich mir auch an die eigene Nase packen ;)
@Jedi_Schaf lohnt der Knigge sich denn zu lesen?
F_A
September 20
Du solltest in ein 200-Seelen-Kaff ziehen. Dort interessiert sich – wenn Du Glück hast – jeder für jeden. Es ist ein bißchen viel verlangt, auf jeden der 150000 einzeln einzugehen ;)
Ich bin nicht so unzufrieden damit, mir meine Herde selbst auszusuchen.
Außerdem, so extrem wie Du es schilderst, kenne ich die Paderborner nicht. Mir wäre es oft lieber, ich würde nicht so oft angesprochen. Die Leute, die man so vom Sehen kennt, grüßen immer sehr freundlich, um nicht zu sagen strahlend. Und ich kleide mich auch nicht gerade in den fröhlichsten Farben, wie Du weißt ;)
acid
September 20
@F_A
Dann müssten das aber schon die richtigen 200 sein, sonst würd‘ ich mich ja auch nicht wohl damit fühlen ;)
Ich weiß, dass es zuviel verlangt ist, aber zu mindest freundlich grüßen, könnte drin sein. Aber wie ich schon oben schrieb: Ich hab‘ da selbst ja auch nicht so die Lust zu, kann mich also eigentlich gar nicht beschweren.
Hmm, ich muss zugeben, dass es eher ein depressiver Tag war und der Großteil meiner Bekannten halt nicht um den Padersee spazieren gehen. Ich hab‘ das ja auch oft genug, dass ich ständig nette Bekannte treffe, wenn ich durch die Stadt gehe.