Antje Schrupp hatte letzten Monat einen Text mit dem Titel „Care Arbeit ist ein Begriff für die Übergangszeit“ geschrieben. In diesem hatte sie über sinnvolle Arbeit referiert, anschließend an unserer Verwendung des Begriffes der Care Arbeit Kritik geübt und für eine Neuinterpretation derselbigen geworben.
Ob eine Tätigkeit “Care” ist, also etwas, das “wirklich, wirklich sinnvoll” ist, das bemisst sich nicht daran, welchen Inhalt diese Tätigkeit hat, sondern darin, in welchem “Geist” sie erledigt wird. — Antje Schrupp
Zuerst dachte ich, dass sie von nur einer Definition von sinnvoller Arbeit schreiben würde, aber da war ich unaufmerksam. Tatsächlich bietet ihr Angebot der Neuinterpretation viel Potential, da jede für sich selbst bestimmen kann, was für sie Care-Arbeit ist. Ich mag diese neue Definition von Care-Arbeit1 und ich bin mir sicher, dass sie diese nur mit besten Absichten wählte.
Allerdings mag ich mit dieser Definition auch nicht ganz zufrieden sein und zwar aus dreierlei Gründen. Erstens wird bestehende Kritik an dem Arbeitsbegriff selbst nicht thematisiert. Gerade in Bezug auf den identifizierenden Charakter von Arbeit halte ich das für durchaus wichtig. Zweitens halte ich es für gefährlich, Arbeit zu bewerten. Dies teilt die Autorin auch mit mir, da sie keinen Graben zwischen „guter“ Care-Arbeit und „schlechter“ Industrie-Arbeit ziehen möchte. Allerdings sehe ich bei der bestehenden Definition durchaus die Gefahr gegeben, dass im Endeffekt Außenstehende urteilen, wann eine Arbeit Care ist und wann nicht. Und drittens befürchte ich, dass diese Definition bestehende Verhältnisse romantisieren könnte.
Damit beziehe ich mich nicht darauf, dass Sorgearbeit manchmal echt unangenehm sein kann2, sondern darauf, weshalb Menschen – traditionell und zum erschreckend großen Anteil Frauen* – diese Sorgearbeit erbringen. Ich denke nämlich, dass die Bereitschaft Sorgearbeit zu leisten aus Erwartungshaltungen heraus entsteht. Diese werden von außen an die Betroffenen heran getragen. Da dies aber auch schon sehr früh anfängt, sind diese tief verinnerlicht durch die jeweilige Sozialisation.3
Und aus diesen verinnerlichten Erwartungshaltungen ergeben sich dann natürlich auch die wahrgenommenen Notwendigkeiten. Das gerne verwendete Beispiel von jungen Männern* die Hausarbeit nicht sehen erklärt sich ganz wunderbar insofern, dass ihnen die Erwartungshaltung ihr Umfeld gefälligst sauber zu halten, fremd ist. Was jetzt übrigens keine Entschuldigung für besagte Männer* sein soll, sondern eine Aufforderung, eben jene Erwartungshaltungen gerade an diese heran zu tragen. Und mit diesen Erwartungshaltungen bzw. mit dem bloßen ableisten von Sorgearbeit geht ein gewisser „Geist“ meiner Meinung nach noch lange nicht einher.
Das mag damit zusammen hängen, dass ich den protestantisch geprägten Charakter von der zwanghaften Arbeit ablehne, mit dem viele Menschen an ihre Sorgearbeit heran gehen. Es wäre für meine Betrachtung auch sicherlich hilfreich, noch einmal genauer zu betrachten, was mit besagten „Geist“ denn jetzt gemeint ist. Aus politischer Sicht ist es aber wiederum gar nicht verkehrt, diese Frage offen zu lassen.
Denn, diese protestantisch geprägte Erwartungshaltungen könnten für’s Erste vielleicht doch genau richtig sein, um mehr Männer* dazu bekommen, sich ihrer Sorgearbeit verpflichtet zu fühlen. Und ja, wenn sie dieses täten, dann bin ich mir auch sicher, dass das mit den Frauen* in „Männerberufen“ besser klappen könnte!
Ihr merkt schon, auch nach längerem Überdenken kam ich bei diesem Thema zu keinem befriedigen Schluss. Trotzdem wollte ich meine Gedanken hierzu einmal fest halten. Vielleicht mag es ja die eine oder andere aufgreifen und von hieraus weiter machen.
- Ich versuche selbst meine Arbeit derart zu gestalten, um Zufriedenheit zu erlangen. ↩
- Es ist unangenehm die Wäsche meines Kleinkindes mit Magen-Darm zu machen, aber ich fühle mich dabei nicht schlecht. ↩
- Ich kann mir z.B. schwer vorstellen, dass Hausfrauen, die ein großes Haus voller Leute trotz gesundheitlicher Risiken ganz alleine extrem rein halten, mit dieser Arbeit glücklich werden können. Ich gehe eher davon aus, dass sie sich aber wohl(unterbewusst) dazu gezwungen sehen, weil sie es von sich selbst erwarten und diese Tätigkeiten aller Wahrscheinlichkeit nach auch von ihnen erwartet werden. ↩
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