Wenn man die werten Journalisten, Lehrer & Politiker unseres schönen Landes von Demokratie sprechen hört, dann sprechen sie dabei eigentlich immer von repräsentativer Demokratie. Die Argumentation dafür läuft meist so ab, ich zitiere mal Wikipedia:
In der repräsentativen Form der Demokratie können Entscheidungsfindung schneller und preisgünstiger vollzogen werden. […] Weiter führen die Befürworter des Systems an, dass die Repräsentanten sich voll auf ihre politische Arbeit konzentrieren können und der politische Entscheidungsprozess so professionalisiert wird. Für komplexe Sachverhalte […] kann so Expertenwissen genutzt werden, über das der durchschnittliche Bürger nicht verfügt.
Das Konzept ist kurz nach der französischen Revolution entstanden. Leuchtet auch vollkommen ein, dass man damals zu einem Vertretermodell kommen musste, da Reisen damals sehr teuer und aufwendig war. Ich stelle mir ein paar hundert Kilometer in einer Pferdekutsche auch nicht gerade angenehm vor. Das System wurde dann im Laufe der Jahrhunderte in fast allen anderen Demokratien mit eingebaut, außer bei den Schweizern, die machen’s an der Stelle richtig. Aber ich habe ja noch gar nicht ausgeführt, was ich an einer repräsentativen Demokratie für falsch halte. Fangen wir mal an :)
Zuerst einmal sind Repräsentaten auf dem Papier nur dem Gewissen verpflichtet. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick, z.B. als unerfahrener Schüler, noch ganz toll. Wird dann aber lange nicht mehr so toll, wenn man sich mal vergegenwärtigt, wie jemand zu einem eben solchen bestimmt wird. Um gewählt zu werden muss sich der Kandidat erst einmal fleißig in einer Systempartei engagieren. Das wäre jetzt auch noch nicht so schlimm, doch auch in dieser sind nur normale Menschen, die lieber den wählen, den sie gern haben oder von dem sie sich ein Vorteil für sie versprechen und nicht den, der am besten für die Position geeignet wäre. Das wissen die Kandidaten natürlich und achten deshalb darauf, dass sie sich mit mächtigen Parteimitgliedern gut stellen und zur wichtigen Wahl auch möglichst viele Unterstützer anwesend sind. In höheren Positionen, für die ordentlich Wahlkampf gemacht werden muss, sucht man sich am besten noch ein paar Freunde in den Medien. Nun ja, ihr werdet das alle kennen: denen, die einem geholfen haben, den ist man natürlich auch zu Gegenleistung verpflichtet, aber ich bin ja auch schon an anderer Stelle auf diesen Themenkomplex eingegangen.
Das problematische an diesem Persilschein für die parlamentarische Tätigkeit sehe ich darin, dass sich die Volksvertreter nur einmal in der Legislaturperiode für diejenigen interessieren, die ihnen ihre Macht verleihen. Nach erfolgter Wahl interessiert ihn alle möglichen Faktoren, die Einfluß auf ihn ausüben können (die Fraktion, die Partei, die Medien, seine Frau, etc.) aber halt nicht die, die ihm eigentlich am wichtigsten sein sollte: nämlich die WählerInnen, die vertreten werden. In der Theorie sollen das ja die Wähler dadurch bestrafen können, dass sie einfach eine andere Partei wählen. In der Praxis hat man mit den Alternativen aber die genau die selben Probleme. Dies führte dann dazu, dass das Volk nach ein paar jahrzehnten Politikpraxis den Eindruck gewann, dass „die da oben“ eh nur das machen was sie wollen. Das ist ebenso kurzsichtig wie falsch. Dummerweise machte das Volk außer meckern nicht wirklich etwas daran, so das sich dadurch eine kleine „Politikelite“ bilden konnte, die vor der Wahl lügt, dass sich die Balken biegen um’s dann nach der Wahl ganz anders zu machen.
Deshalb betrachte ich die repräsentative Demokratie für einen Irrweg, den wir hoffentlich bald verlassen können. Das Argument, dass eine repräsentative Demokratie schneller reagieren kann als eine direkte, verliert in den Zeiten des elektronischen Datenverkehrs immer mehr an Bedeutung und wird gegenüber den Wählern verantwortlichen Räten bedeutungslos.
Andererseits will ich auch nicht leugnen, dass man für solche Formen der Demokratie auch ein Volk bräuchte, welches sich auch für die Geschicke ihrer Gesellschaft und ihres Staates interessiert. Manche benutzen das sogar als Argument für die repräsentative Demokratie, so nach dem Motto:
Wenn ich mir die Bürger da draußen so angucke, ist das doch ganz gut, dass sie sich nur einmal in vier Jahren Gedanken um Politik machen müssen.1
Wer so argumentiert macht den Bock zum Gärtner und lässt auch weiterhin dem Wahnsinn, dass wenige viele regieren, weil sich die vielen nicht dafür interessieren, freien Lauf und macht sich somit zum Mittäter.
Mir ist auch bewußt, dass sich eine Veränderung der Gesellschaft hin zu einer Kultur der Mitbestimmung leider nur in Generationen vollzieht. Aber sie muss geschehen, die Politikeliten arbeiten immer mehr daran, unsere Demokratien ad absurdum zu führen, indem sie unsere Gesellschaft zu einer Überwachungsgesellschaft umstrukturieren. Doch das einzige, was wir tun können ist aufklären. Unsere Mitbürger immer wieder informieren, aufmerksam machen und mit ihnen diskutieren.
Es benötigt dringend einer Bewegung der zweiten Aufklärung um das, was die Aufklärung begonnen hat, auch wirklich umzusetzen.
- So ähnlich noch letztens auf der NRW-Mailingliste der Piratenpartei gelesen, kann’s leider gerade nicht verlinken ↩
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