Eines Sonntagabends vor einigen Jahren begab es sich , dass ein befreundeter Gast zur später Stunde klingelte. Ich bat ihn herein, bot ihn ein Bier an und fragte ihn, nachdem er dankend annahm und sich entspannt zurück gelehnt hatte, ob er denn letzte Nacht zu viel gefeiert hätte, denn er sah wirklich arg mitgenommen aus. „Feiern?“, sagte er, „Ja. Das habe ich. Aber anders als du es dir vielleicht vorstellst. Ich erzähl dir mal, was für mich feiern ist!“

Es begann am Vorabend damit dass mein Freund, selbstredend schon seit den frühen, also späten, Morgenstunden ordentlichst stoned, zu seiner Schwester latschte und ihr Auto abholte. Nach dem obligatorischen Joint in deren Garten ging’s dann auch los, die Mitfahrer für diese Nacht abzuholen. Die zwei Mädels und der eine entfernte Bekannte, der über die „Base“ diese Mitfahrgelegenheit gefunden hatte waren dann auch recht bald in seiner Wohnung versammelt.

Nach ein paar Köpfen aus der monströsen Bong war die versammelte Meute auch Abflugbereit. Dummerweise ging beim verlassen des Parkplatzes der Sprit des Autos aus, seine Schwester ist nämlich eine geübte Meisterin des Fahrens auf Reserve. Praktischerweise war die Tanke aber gleich ums Ecke, so dass es nach kurzer Schieberei endlich los ging.

Am Ort des Geschehens angekommen, war erst einmal Irritation angesagt. Diese Goa-Party fand in einer Dorfhütte statt und die örtliche Jugend war natürlich im schicksten Proll-Look angereist um sich diese Sensation nicht entgehen zu lassen.  Doch man lies sich davor nicht schrecken, war schließlich ein paar km gefahren, und ging erst einmal hinein. Drinnen lief ordentlicher Sound. Die Dekoration war nicht überragend, aber ausreichend schrill, bunt und schwarzlichtlastig – darauf stehen die Tänzer. Der DJ gab sich offensichtlich alle Mühe, Leute auf die Tanzfläche zu bringen, um die Party endlich mal so richtig steigen zu lassen.

Da allerdings jene erwähnte Dorfjugend an den Wänden der Hütte herumlungerte, um sich genau diese anzuschauen, ergab sich das folgende Bild: Bunte, im alternativen Look der Szene gekleidete Menschen kamen herein, nahmen die Szenerie war und flüchteten in den Backstage, um zum zweiten Aggregatzustand auf einer Goa-Party über zu gehen, dem Drogenkonsum. Vornehmlich natürlich das allseits populäre Kiffen. So viel dann erst einmal zu der ach so großartigen Toleranz, von der zugedröhnte Szenegänger gerne mal schwärmen.

Mein Freund und seine Begleiter gehörten aber eindeutig der Fraktion von Tänzern an, die durch intensives tanzen glücklich werden und nicht durch, eh alltäglichen, Drogenkonsum, deshalb machten sie sich gleich daran, die gähnende Leere auf der Tanzfläche mit freudig hüpfenden Tänzern zu bekämpfen. Doch wollte sich die freudige Atmosphäre irgendwie nicht einstellen. Das lag nicht zuletzt an der Dorfjugend, die natürlich auch versuchte, ihre üblichen Ritualen zu befolgen. Man kann sich bloß schlecht mit Leuten prügeln, die einen freundlich in’s Gesicht lachend mit teilen, dass die aggressive Attitüde vollkommen fehl am Platz ist, und obendrein von Freude und Akzeptanz schwafeln.

Nach ein paar Stunden war den Damen das ganze auch nicht mehr wirklich genehm und plädierten für die Heimfahrt. Er und sein Bekannter hatten Blut geleckt und wollten diese Nacht noch so richtig Party machen. Praktischerweise wußte der Bekannte noch von einer anderen Party, ein paar km weiter hinter der Heimatstadt meiner Freundes. Also ging’s wieder zurück und nachdem die weiblichen Begleitungen nach Hause gebracht worden waren wurde noch einmal in der Wohnung eingecheckt. Ihr wisst ja, großes Rauchgerät und so. Außerdem waren dort noch unentdeckte Schnapsvorräte und unendliche Möglichkeiten ordentlich Gras,

Derart gestärkt wollte man sich gerade wieder auf die Straße begeben um schnell die vernünftige Party zu erreichen als die Spritvorräte des Gefährtes ein weiteres Mal zu neige gingen, dieses Mal konnten sie aber gerade noch auf die Tankstelle rollen. Jene hatte aber schon vor Stunden geschlossen und die nächste offene war einige Kilometer entfernt. Die beiden standen noch herum und wägten ihre Möglichkeiten ab, als eine freundliche Seele vorbeifuhr und sie nicht nur zur besagten Tanke sondern auch noch wieder zurück zu dem liegen gebliebenen Gefährt fuhr. Nachts um halb 3 zwei verwegene Gestalten zu einer Tankstelle und wieder zurück zu fahren, dass nenne ich wirkliche Akzeptanz und Menschlichkeit!

Von solch‘ gutem Geist bestärkt fielen die gut 2 Stunden fahrt zum nächsten Ort des Geschehens gar nicht in’s Gewicht. Und jener entlohnte wirklich für die Mühen. In dunklen, engen Räumen galoppierte die Musik den Takt der Party, pulste sie durch die Körper vieler gut gelaunter Gäste, die sich unterhielten oder zur Musik tanzten. Die Wände schmückten fantasievolle, im Schwarzlicht leuchtende Gemälde die Drachen, Elfen, Wälder aber auch verfallene Gebäude zeigten und ihre Umgebung erhellten. Draußen vor dem Haus brannte ein großes Feuer, an dem man sich unter freien Himmel wärmen konnte, und etwas weiter den Hang hinab stand ein großes Zelt voll mit Couchen, Sesseln und Teppichen in der sich die obligatorische Chill Area befand, die mit ruhigerer Musik beschallt wurde.

Hier fühlten sie sich wohl, hier waren sie daheim. Er ging auf im Tanz und Rausch, genoss den Puls des Lebens und die zelebrierte Flucht vor der Realität weit, weit weg am Montag, oder wann immer man sich ihr auch wieder stellen musste. Stundenlang tanzte er, stundenlang stand oder saß er herum, konsumierte das, was es an Drogen im Angebot gab, und führte während dessen angeregte Gespräche mit allerhand Volk. Eine gute Seele stellte im Laufe des Vormittages ein paar Kisten Bier vor das Haus und es musste sich auch um das Lagerfeuer gekümmert werden. Die Zeit konnte ganz und gar vergessen werden, hier konnte man einfach so sein, wie man wollte, ohne sich für irgend etwas zu schämen oder rechtfertigen zu müssen.

Erst gegen Nachmittag stellte sich bei ihm eine gewisse Müdigkeit ein. Die Zahl der Gäste nahm immer mehr ab und irgendwann war der Durst nach Tanz selbst bei solch einem Exzessiven Tänzer gestillt. Es war an der Zeit, zu gehen, aber er hatte Angst davor, alleine zu fahren. Das Gras war schon vor Stunden zu neige gegangen und eine gewisse Müdigkeit hatte sich eingestellt. Also belaberte er eine Weile den Bekannten, bis sich dieser von ihm mit in seine Heimatstand nehmen lies. Die Fahrt dorthin war extrem belastend, zusätzlich zu dem desolaten Zustand meines Freundes war sein Begleiter auch noch auf’s extremste durch den Wind aufgrund diverser psychedelischer Drogen, derer er habhaft werden konnte und mein befreundeter Fahrer sorgte sich davor, durch sein Verhalten auffällig zu werden.

Endlich kamen sie in der Wohnung des Bekannten an. Eine typische Wohnung von Feierleuten. Karg, ein wenig schmutzig, funktional und mit einer guten Anlage. Er blieb nur kurz und zog dann weiter zu Freunden, die in der selben Stadt wohnten. Dort konnte er sich entspannen, dort gab es genug zu rauchen. In den frühen Abendstunden verabschiedet er sich dann nach einigen Stunden entspannten Plauschs und fuhr nach Hause, den Sekundenschlaf unterdrückend.

Und so kam er dann bei mir vor der Tür an. Noch viel zu aufgeputscht von der Nacht und viel zu zerstört, um allein zu sein. Und eigentlich ist dieses Beispiel noch eines der harmloseren.

Seit diesem Wochenende hat sich bei meinem Freund einiges getan. Nach ein paar Jahren kriegte er doch die Kurve und löste sich von seiner Abhängigkeit. Er begann sich zu verändern, Prioritäten zu verschieben und sich seinem Leben bewusst zu stellen und es zu gestalten. Auf diesen Weg hat er einige Bekannte verloren, nicht viele schaffen diese Transformation. Doch er hat viel gelernt und bereut die Zeit nicht. Inzwischen verdingt er sich als Freiberufler und geht nicht mehr „feiern“. Wozu auch? Man kann so viel schöneres mit seiner Zeit anfangen. Spannende und interessante Texte schreiben und lesen zum Beispiel.