Man begegnet ihm wieder immer wieder, in Diskussionen, Erläuterungen, Abhandlungen und Büchern: Den allgemein weit verbreiteten Glauben, dass Menschen natürlicherweise immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und, mehr oder weniger verborgen unter dem Deckmantel von Kultur, zuerst nach sich selbst schauen.

Dieser Betrachtungsweise liegt ein wahrer Kern zugrunde. So besteht in der Philosophie des Geistes ein breiter Konsens, dass der Eigennutz ein entscheidende Faktor für die menschliche Motivation darstellt. Wir wissen allerdings auch schon länger, und nicht zuletzt aus der Soziologie, dass der Mensch erst im Laufe seiner Entwicklung lernt, was es heißt, Mensch zu sein. Deswegen nennen wir das auch „erwachsen werden“ oder Sozialisierung.

Selbstverständlich besitzt der Mensch, wie alle Tiere, Instinkte, die auf einer rudimentären Ebene das Überleben sichern. Allerdings sind diese im Verhältnis zu anderen Spezies unserer Biosphäre beim Menschen extrem gering ausgeprägt sind.1 auch Nietzsche2 und einigen vor ihm war dies bewusst. Der Mensch gleicht diesen „Mangel“ allerdings geradezu perfekt durch seine Fähigkeiten des Lernens aus.3

Deshalb muss ich diese Einstellung entschieden zurückweisen. Es mag zwar als pragmatischer Ansatz für den Alltagsgebrauch im Umgang mit Menschen unserer heutigen Kultur durchaus genügen, verkennt aber vollkommen wichtige Kernelemente der menschlichen Natur. Eben jene nämlich, die für den Erfolg unserer Spezies verantwortlich sind.

Und auch wenn dieser Glaube im Alltag sehr nützlich ist, führt er seinen Gedanken bei Diskussionen und Überlegungen zu Gesellschaftlichen Phänomenen oder generell menschlichem Verhalten in eine Sackgasse. Dadurch, dass man so überzeugt davon ist, kann man sich gar nicht vorstellen, dass sich Menschen jemals anders verhalten sollten oder auch überhaupt nur könnten.

Und diese geistige Sackgasse ist eines der größten Probleme in den Köpfen der Menschen. Und wir müssen es bewältigen, damit die Menschheit endlich erwachsen werden kann. Das einzige Mittel, welches mir dazu einfällt ist Aufklärung. Nur wie propagiert man diese in unserer Zeit?

  1. siehe z.B. hier
  2. Obwohl ich gerade einfach nicht die Stelle finden will. Ich habe es, wenn ich mich recht entsinne, in „Also sprach Zarathustra“ gelesen.
  3. Ist ja eigentlich auch nicht verwunderlich. Sind wir doch das Tier, welches sich dank seiner Hände auf das Gehirn spezialisieren konnte.