Es brodelt in meiner Timeline. Oh wie es brodelt! Man könnte fast meinen, dass das Stimmvieh langsam aus seinem Dämmerschlaf erwacht.

Und das ist nicht nur #S21, man merkte das auch schon sehr gut bei dem Loveparade-Debakel, von solchen krassen Dingern wie Laufzeitverlängerung und 5%-Erhöhung der Armengängelung1 ganz zu schweigen. Der Wind des Wandels beginnt sich von einem lauen Lüftchen zu einer sanften Bö zu steigern.

Immer mehr wird klar: so kann es nicht weiter gehen. So darf es nicht weiter gehen! Das Netz zerrt die dämliche Klüngeltechnik der Politik und ihrer hungrigen Freunde immer wieder auf unangenehm deutliche Art und Weise an’s Tageslicht des Socialverse. Oft genug wird’s von dortaus weiter gespühlt in die alten Medien, sehr zu Mißgunsten der Akteure.  Doch dies ist nichts Neues. Dies ist nur eine, in meinen Augen, positive Entwicklung des Medienwandels, den wir gerade unweigerlich erleben. Aber das soll gar nicht Thema dieses Beitrages sein.

Das Interessante an der Entwicklung der letzten Monate ist eigentlich, dass immer mehr Stimmen die Natur unserer „Demokratie“ in Frage stellen.  Viele empfinden eine Ohnmacht dem Staat gegenüber, ganz besonders dann, wenn der Staat seine Muskeln spielen lässt und das Gewaltmonopol ausnutzt. In letzter Zeit machte dieses unser Staat2 dieses immer mehr gegenüber ganz normalen Bürgern und nicht nur gegenüber linken Gruppen, bei denen man das ja gewöhnt währe. Gepaart mit dem Eindruck, dass die politische „Elite“ einfach das tut, wozu sie lustig ist und sich einfach nicht drum schert, was das Volk denn so interessiert.

Man kann dies eigentlich nur begrüßen. Es ist eh verwunderlich, wie denn immer noch der Glaube vorherrschen kann, dass ein System, welches für die sozialen und technischen Gegebenheiten des 18. & 19. Jahrhunderts gedacht war, heutzutage noch zeitgemäß sein sollte. Ja, überhaupt noch funktionieren könnte! Doch, das Dogma herrscht noch vor, auch wenn es an allen Ecken und Enden am schwanken ist. Es ist toll, dass immer mehr nach neuen Ideen verlangen, doch muss man sich einiger Sachen bewußt sein:

  • Dass, die Akteuere unseres aktuellen Gesellschaftsspieles (Politiker, Medienmogule & Leute, die viel zu viel Geld und große Firmen kontrollieren) sich darauf spezialisiert haben, dieses zu spielen und keine Lust haben werden, dieses Spiel zu ändern.
  • Aufgrund dessen werden die alten Medien so lange Systemerhaltendes publizieren, wie es Ihnen nur irgend möglich ist.
  • Dieses widerum nach sich zieht, dass es sehr lange brauchen kann, bis eine Veränderung im Denken der breiten Masse von sich gehen wird.

Diese lange Zeit ist einerseits wirklich grausam, da es impliziert, dass sich noch viel mehr Elend und Wut anstauen wird, andererseits benötigen wir alle diese Zeit.

Denn, egal wie ein System, welches unser aktuelles ablösen kann, nun am Ende aussehen wird, klar ist, dass es von jedem seiner Bürger auch verlangen wird, sich an der Politik zu beteiligen. Der Gedanke, dass der Souverän sich nicht mit der Willensbildung der von ihn gebildeten Entität beschäftigen müsste, ist meiner Meinung nach einfach nur Wunschdenken vergangener Jahrhunderte. Mit den stringenten Sozialgefüge vergangener Jahrhunderte mag das wohl noch ganz gut funktioniert haben, doch heutzutage kann dies einfach nicht mehr funktionieren. Weder haben wir so wenige entscheidende Themen wie damals, noch haben wir so fest definierte soziale Schichten 3.

Eine wahre Demokratie kann in meinen Augen nur funktionieren, wenn jeder einzelne Bürger des Staates sich aktiv an der politischen Willensbildung beteiligt. Sicherlich, man kann nicht zu allem eine eindeutige Meinung haben. Dafür bieten sich Systeme wie liquid Democracy an, bei der ich meine Stimme in Themenbereichen delegieren kann, so lange ich das möchte. Die aktuelle Systemkrise zeigt sehr deutlich, dass wir mit Mandatsträgern, die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, nicht weiter kommen, es braucht Systeme der Verantwortung gegenüber den Wählern. Und dies vor allen Dingen nicht in großen Zeitperioden sondern mit einem direkten und unmittelbaren Feedback der Wähler welches aktiv in’s politische Geschehen eingreifen kann.

Dies impliziert natürlich, dass die Grenzen zwischen „Politiker“ und „Bürger“ immer mehr verschwinden werden. Eine Entwicklung die ich allerdings nur begrüßen kann. Sicherlich ist auf diesem Wege auch das Konzept der Privatsphäre bedroht. Doch diese schwindet aufgrund von soziologischen und technologischen Faktoren eh, aber das ist ein Thema für einen anderen Blogbeitrag.

Doch zur politischen Meinungsbildung braucht es Zeit. Zeit, die jedes Individuum einzeln für sich nehmen muss. Zeit, die wir in unserer heutigen Gesellschaft einfach nicht haben. Und so hätten wir, neben den ohnehin drängenden ökonomischen Faktoren, ein weiteres Argument für das Garantierte Grundeinkommen.

  1. Die dann wohl doch keine zu sein scheint.
  2. und so wie ich das von hier aus verfolgen kann, geht das in den anderen „westlichen“ Staaten auch nicht anders zu
  3. Dies ist im übrigen mit Schuld an dem heutigen Debakel: Durch das weg fallen eindeutiger Schichten verloren die Parteien ihre Bezugsgruppen und damit den Kontakt zu ihrer Basis.